Die Leica SL
Und da ist sie, die Leica SL. Nachdem ich mich zwischen der M10 und diesem Boliden hier entscheiden musste, siegte doch die Vernunft über das haben wollen, gerade weil die SL für mich sehr günstig zu haben gewesen ist, und meine Art der Fotografie von einem EVW doch irgendwie begünstigt wird. Und was für einer in der Leica SL verbaut wurde! Aber dazu mehr später.
Die Leica SL
Im Prinzip ist die Frage „leica SL oder M10“ aber eine unsinnige, denn die beiden Kameras sind sich im Feeling grundlegend Verschieden, wenn das Herz auch das gleiche ist. Man könnte sagen, der eine ist der kleine aber stylische Bruder, der die ganzen Mädchen abbekommt, während der andere in seiner Freizeit LKW’s mit der Hand zieht.
Spaß bei Seite, die SL ist wirklich ein Glotz. Anders lässt es sich nicht formulieren. Der Body wurde aus einem Stück Aluminium gefräst, was man deutlich spürt. Bei der ILCE7 Serie von Sony, die oft als Vergleichsinstrument herhalten muss, fühlt es sich genau so an, wie es sich bei Leica nicht anfühlt: Plastik mit Metall verkleidet. Demnach hat man bei der SL einen puren Klumpen Metall in der Hand, dessen kühle und Glattheit eine unfassbare Qualität ausstrahlt. Die Kanten sind glatt, die Kamera ist schwer. Nach ein paar Stunden mit ihr kam mir die M9 wie ein Fliegengewicht vor, meine IIIf verschwand regelrecht in der Atmosphäre.
Nun denn, viel konnte man lesen bezüglich des Gewichts. Hässlich soll sie sein, sowie viel zu groß und schwer. Wenn man sich das Datenblatt ansieht, kommen wir auf Maße von 147x104x39mm und ein Kampfgewicht von 847 g. Zum Vergleich, die Canon 5DmIV hat ein Gewicht von 950 g, wiegt also noch einmal 100 Gramm mehr. Der Griff liegt sehr gut in der Hand, so dass das Gewicht nicht wirklich spürbar ist, und habe wirklich kleine Hände.
Ich habe ja bereits erwähnt, dass diese Kamera für mich relevanter ist, als die M10. Das hat, neben dem Fiskalen vor allem 3 Gründe: 1. Ich kann nahezu alles adaptieren, auch meine geliebten Zeiss Linsen. 2. Der EVW ist BOMBE, auch wenn er eine etwas eigenartige Farbwiedergabe besitzt 3. Der Workflow ist der Sony Konkurrentin sehr ähnlich. Bei Hochzeiten finde ich diese Art der Kamera einer Rangefinder überlegen.
Für ein genaueres Fazit muss ich allerdings meine nächste Hochzeit abwarten, und so kann ich immerhin ein paar Punkte nennen, die mir an dieser Kamera gefallen und welche ich nicht so gut finde.
Zuerst möchte ich jedoch auf die Frage eingehen, ob sich der Wechsel von Sony auf Leica SL auch lohnt. Diesbezüglich herrschen im Netz unterschiedliche Meinungen, beginnend von „die Leica SL ist selbst der A9 in allen Dingen überlegen“ bis zu „Leica zockt mit einer technisch minderwertigen Kamera zum doppelt Preis ab, und die Leicaverrückten fallen darauf rein“. Man muss kein Hellseher sein, um zu erraten, dass es sich bei ersteren hauptsächlich um Leica Benutzer handelt, während letztere Gruppe vermutlich noch nie eine Leica in der Hand hatte. Die Wahrheit liegt also, wie üblich, irgendwo in der Mitte. Fakt ist, dass gerade die Sony A7rII einige Features besitzt, die die Leica nicht hat. Da wäre der Ibis, die exorbitanten 43 Megapixel, die einfachere Adaptierung und das deutlich geringere Gewicht. Was die Bildqualität betrifft, so ist es wohl eine subjektive Sache. Der Sony Sensor, sei es der ersten oder zweiten Generation der A7 arbeitet sehr gut, keine Frage. Und gerade mit Zeiss Objektiven kommen sehr scharfe und knackige Bilder heraus. Was mir allerdings nach Jahren mit der A7 und A7r im Vergleich zu den Bildern einer jeden Leica, sei es die M8, M9, SL oder Q: Die Bilder aus der Leica wirken plastischer und irgendwie angenehmer, die der Sony flacher und irgendwie auch langweiliger. Man könnte meinen, die überragenden Leica Objektive sind für diese Bildqualität verantwortlich, mit der Sony habe ich allerdings selbst mit M Optiken solche Resultate nicht erzielen können. Aber wie gesagt, das ist ein rein subjektives Empfinden.
Nun Aber zu den konkreten Pros und Contras, die mir auf die kurze Zeit aufgefallen sind. Da ich leider noch kein natives AF SL Objektiv mein eigen Nenne, kann ich auch keine Auskunft über den für viele vermutlich interessantesten Faktor geben, nämlich den Autofokus. Das muss ich an dieser Stelle leider verschieben. Zur Verfügung stehen mir aber meine an den M Leicas genutzten M Linsen, die wunderbar mit der SL harmonieren. Das ist auch der erste große Pro Punkt: Die Leica M Linsen haben endliche eine Heimat gefunden. Der Sensor sowie die Objektive harmonieren einfach miteinander, so dass es keine Randunschärfen mehr gibt wie man sie bei der Sony gefunden hat. Alles in allem wirken die M Objektive völlig anders als bei der Sony. Wärmer, drückender, mehr Leica M eben. Das ist auch kein Manko der Sony, die einfach kühler und Zeisslastiger ausgerichtet ist, sondern einfach eine Frage des Geschmacks. Allerdings sollte jedem, der sich dazu entscheidet, Leica M Objektive wegen der Abbildungsleistung zu kaufen, klar sein dass die Sony nicht das Optimum wiedergeben kann.
Die SL mit dem 75mm 1.4 Summilux. Die ergonomische Bauweise der SL macht die Benutzung des 75igers wesentlich angenehmer.
Wo wir bei M Objektive wären. Es gibt klassiker unter den M's für die selbst eine Leica M Kamera zu klein ist. Das Summilux 75 ist so ein Stück Metall, dass sich an der Messsucherkamera irgendwie falsch anfühlt, selbst wenn sie dafür gemacht ist. Seit dem ich diese Linse in meinen Besitz aufgenommen habe, wurde sie fast ausschließlich an der Sony benutzt. An der Leica war sie mir einfach zu schwer, nicht weil sie wirklich zu schwer gewesen ist sondern weil das komplette System Leica M9 + Summilux 75 einfach nicht mehr dieses Messsucherfeeling vermittelte. Das gleiche sollte auch für das berühmte 0.95 sowie anderen großen M Linsen gelten. An der SL hat sie eine völlig neue Daseinsberechtigung bekommen und ist so gut wie nie von der Kamera.
Kommen wir zum nächsten Punkt: Die Fokusvergrößerung reagiert einen Tick schneller als bei der Konkurenz von Sony. Kaum Verzögerung ist wahrnehmbar, was zwar kein Totschlagargument darstellt, es aber dennoch angenehm und in vielen Fällen sogar von Vorteil ist. Die Fokusvergrößerung ist intuitiv mit dem Daumen erreichbar und befindet sich ab Werk am 5. Button des Joysticks. Das finde ich clever gelöst, auch wenn ich mir gewünscht hätte dass die Fokus vergrößerung per Modus direkt auf ein erkenntes Gesicht sprinnge. Vielleicht beschert uns ein Update dieses Feature.
Wo wir bei den Firmwareupdates sind: Ab Version 3.0 ist es möglich, in nahezu allen Belichtungszeiten ohne Einschränkungen den elektronsichen Verschluss zu nutzen, um so KEIN, ich wieder K E I N E R L E I Aufnahmegeräusch zu produzieren. Das ist zwar nichts neues, die A7rII besitzt dieses Feature ab Werk, hier entstehen allesdings unter schlechten Lichtverhältnissen (und entsprechend hohen Belichtungszeiten) unschöne Rolling Shutter Effekte erzeugt. Dieses Feature war eines meiner Kaufgründe für die SL, denn nichts hemmt einen mehr als die Angst mit seinem Kameraklicken zu stören. Sowohl auf Events als auch auf Hochzeiten, sowohl als Anfänger als auch nach etlichen Veranstaltungen. Entweder man wird hier kaltschneuzig, oder man kauft sich eine Kamera die ohne Geräusch auslöst.
Was die Farbwiedergabe betrifft, so ist die große Schwäche hierbei das JPG. Hier wirken die Bilder sehr flau und ungesättigt. Wer allerdings bei den RAWs bleibt, hat kein Problem. Interessanterweise kann ich das von den Schwarz-Weiß Konvertierungen der SL nicht behaupten. Während ich meine DNG's von der M9 einfach nur entsättigen musste, wirken die SW-Bilder der SL ersteinmal ungewohnt. Himmelfarben scheinen deutlich dunkler zu sein und der Kontrast ist geringer als der CCD Sensor ausspuckt. Ob hier die RAW die Tonwerte behalten wollte, kann ich nicht sagen, ein Problem ist es jedoch dank Pp nicht so dramatisch.
Was das Menü betrifft, so komme ich bereits nach 2 Tagen besser zurecht als mit meiner Sony. Die Tasten lassen sich beliebig anpassen, wobei ich bisher nicht das Bedürfnis dafür sah. Oft kann man bezüglich des Menüs von Kritik lesen, die ich in diesem Sinne aber nicht nachvollziehen kann.
Anders jedoch das Fokus Peaking! Hier sehe ich eine große Schwäche der Kamera. Je nach Kontrast ist Fokus Peaking sichtbar oder nicht, in vielen Fällen ist es selbst mit hoher Einstellung nicht zu sehen. Während die Sony das Fokus Peaking meistens zu stark ausgegeben hat, vermisse ich hier die Mitte. Hier merkt man, dass Leica das Focus Peaking vor allem für die nativen Objektive kalibriert hat, ältere und nicht ganz so kontrastreiche Linsen sind hier die klaren Verlierer. Das ist vor allem deshalb schade, da die eigenen SL Linsen ohnehin über AF verfügen, die M Linsen aber auf ein funktionierendes Fokus Peaking angewiesen sind. Gut finde ich, dass zwischen 4 Farben ausgesucht werden kann, so dass wenn man sich einmal an eine gewohnt hat, man wechseln kann und wieder stärker auf das Peaking reagiert.
Kommen wir zum Sucher: Eyeres, so lautet das Kampfwort für diesen wahnsinnig tollen Sucher, der aber irgendwie noch nicht so überzeugen will. Mit ca 4 Megapixel Auflösung ist er momentan beste Sucher am Markt, und dennoch sind die Farben und Schwarztöne irgendwie komisch. Ich war gewohnt das zu bekommen was ich durch den Sucher bekommen habe. Hier sind die Schwarztöne extrem herunter gesetzt und die Farben entsättigt, ähnlich wie ein Instagram-Filter. Das kann von Vorteil für irgendetwas sein, für mich hat sich der Sinn noch nicht entschlossen.
Das Display auf der Deckenplatte ist sinnvoll und toll, allerdings verstehe ich auch hier nicht ganz, warum der Aufnahmemodus P,A,M,S nicht im Sucher oder Display angezeigt wird. Im schlimmsten Fall muss ich die Kamera vom Auge absetzen weil ich den Anzeigemodus nur von oben sehen (und vorerst ändern) kann.
In der Praxis sehr negativ aufgefallen ist das feste Display, also die nicht vorhandene Möglichkeit, das Display zu klappen. Somit ist man deutlich eingeschränkt in der Kreativität. Gerade in Situationen, in denen man zu niedrig ist, oder einfach mal einen anderen Bildlook als den gewöhnlichen "170cm über dem Boden"
Im obigen Bild sieht man deutlich, warum ein Klappdisplay Sinnvoll ist. In dieser Situation musste ich mit den 35mm schätzen und habe die Kamera blind über meinen Kopf gehalten. Leider ohne Erfolg
Sehr warme Farben bestimmemn den Bildlook der SL
Dynamikumfang und High-Iso Fähigkeit machen sich bei dieser Kamera sehr bezahlt!
Hier bei Iso 400...
..Die Iso-Leistung ist auch bei 1600 unter schwierigen Lichtbedingungen absolut vertretbar
Der Silentshutter-Modus ist im Prinzip eine feine Sache. Nach dem Update auf Version 3.0 ist es auch möglich, unter allen Einstellungen elektronisch zu verschließen. Leider sind bei bestimmten Lichtsituationen Artefakte sichtbar, den so genannten Rolling Shutter Effect, wie man im obigen Bild deutlich erkennen kann.
To be continued...