Leica M6

Die Leica M6 und ich.
Meine ersten Erfahrungen mit Messsucher



Es ist schon irgendwie komisch, da komme ich nun von der analogen Fotografie, um schließlich wieder bei ihr zu landen. Mit gemischten Gefühlen kaufte ich nach einigen Jahren wieder einen Film, legte ihn in das Gehäuse und ging noch einmal gebetsmühlenartig alles durch : Blende einstellen, fokussieren, Belichtungsmesser checken und dann erst drücken!

Zugegeben, es gehört sich schon einiges an Idealismus dazu tagelang auf das Ergebnis zu warten, einen qualitativen Quantensprung (zu den 36mpx meiner a7r) abwärts hinzunehmen und das ganze schließlich noch mit teurem Geld zu bezahlen. Und doch, der Filmabsatz hat sich relativ stabil eingependelt und immer mehr junge Leute entdecken die Fotografie durch Opas Erbstück oder ein Schnäppchen vom Flohmarkt. Doch ist die sogenannte Lomography, wie die kreativlastige, analoge Bewegung auch bezeichnet wird, eine wirkliche Alternative zur auftragsorientierten Fotografie oder ist sie eine Kunstform partybegeisterter Sozi-Studenten die gerne eine Spiegelreflex hätten, aber das Bafög nicht für Bier und Canon 5D gleichzeitig reicht?  

Eine Frage der ich lange Zeit auf den Grund gehen wollte, allein die richtige Kamera fehlte. Das sollte sich ändern, als ich durch ein trauriges Ereignis an eine Reihe von Schraubleicas gekommen bin. Quasi. Erbstücke, deren Wert ich zum Verkauf ermitteln sollte und mich so in die Welt der Messsucher und dieser winzig kleinen Objektive zogen, die sich, neben wahnsinniger Leistung vor allem auch durch ein Portemonnaie-feindliches Sammelpotential auszeichnen. Und ich wollte mehr!




Eine digitale Leica kam für mich (noch) nicht in Frage, ich wollte etwas Langlebiges. Etwas Unzerstörbares. Eine Kamera, die ich meinem Sohn vererben kann, so wie schon viele Leicas zuvor von ihren Vätern vererbt wurden. Welche Digitalkammera hält schon ein halbes Leben? Einen Belichtungsmesser sollte sie haben, mehr nicht. Und schon wären wir bei der M6.
Diese Erkenntnis und einen guten Haufen Euros später konnte ich die wundervolle Vereinigung aus deutscher Ingenieurskunst und Prestigeobjektiv in den Händen halten.
Zusammen mit dem Zeiss Planar 50mm f2 (ein Review findet sich hier) macht sie einen ordentlichen Eindruck. Und ich muss gestehen, noch nie soviel Emotionen für ein Objekt aufgebracht zu haben.
Doch der Mythos ist eine Sache, die praktischen Bilder eine ganz andere. Eine Kamera nur aufgrund des Coolness-Faktors zu kaufen ist für mich (persönlich) als Fotograf sinnlos und so wurde "Leila" die Leica auf Herz und Nieren geprüft...

Wobei wir wieder am Anfang wären. Also Film eingelegt (etwas komisch zu bewerkstelligen), Batterie rein und fokussiert - "klick"! -. Ein Gedanke später kam das Ärgernis: Iso-Wert Einstellen vergessen! Also wurde das Iso-Rad auf den richtigen Wert - Iso 200 - eingestellt, fokussiert und "klick". Doch ich vergas den Belichtungsmesser zu checken, und beim zweiten Blick die Ernüchterung: Stark unterbelichtet... Aller guten Dinge sind drei, und so fanden die reflektierten Lichtstrahlen meines geduldigen Motives doch noch den Weg auf den Film, und zwar korrekt belichtet. Alles schön und gut, aber einen kurzlebigen Moment mit bewegten Personen ohne Vormessung zu erfassen gleicht ein Ding der Unmöglichkeit! Mit tiefer Ehrfurcht muss ich an die zahlreichen Fotografen denken, die in Kriegsgebieten uns Krisenherde mit dieser Kamera die Magazine versorgten!

Ist das ein Nachteil?
Nicht direkt. Die ganze Sache schnell zusammengefast: Diese Kamera muss im Schlaf beherrscht werden, um aus ihr ein brauchbares Instrument zu machen! Das beutetet, dass man viele, sehr viele Filme  und abermals viele Filme geschossen und verschossen haben muss, um ein Gefühl für diese einmalige und doch sonderbare Technik zu bekommen. Diese Kamera ist keine Gelegenheitsknipse, kein Accessoire und kein Spielzeug, sondern ein Instrument erster Güteklasse, das dem Handwerker alles abverlangt. Wer nicht dazu bereit ist, sich die Seele aus dem Leib zu schießen und dementsprechend viel Holz beim Filmkauf und dessen Entwicklung zu lassen, wird mit dieser Kamera nicht glücklich werden. Doch wer sich darauf einlässt, wird mit einem Arbeitsgefühl belohnt, dass doch so anders ist als alles andere.

Wie ein guter Scharfschütze ist man gezwungen, Situationen vorherzusehen, sich Zeit zu nehmen, selbst wenn nicht viel Zeit  zu Verfügung steht. Dabei kann es ungemein helfen ein gutes Gespür für die Belichtungszeiten zu entwickeln, um gegeben falls nicht sonderlich korrigieren zu müssen. Auch hilft es ein Gefühl für Entfernungen zu entwickeln, um durch das Vorfokussieren Zeit zu sparen. All diese Dinge lernt man nicht von heute auf morgen sondern der Fotograf wird gezwungen, sich intensiv mit seiner Umwelt, seiner Arbeit und seiner Kamera auseinander zu setzen. Und das dauert! Wie eben alles etwas länger dauert, in der minimalistischen Welt der analogen Leicas.

Ob es mich irgendwann zur digitalen Version zieht? Vermutlich. Aber momentan sehe ich kein Handlungsbedarf, mein geliebtes Contax Zeiss/Sony a7r Set ersetzen zu lassen. Das Quantum mehr Qualität ist den exponentiellen Aufpreis keinesfalls wert! Und auch Zeiss ist ein deutsches Traditionsunternehmen, dass in puncto Objektivherstellung ganz oben spielt.

Update: Teil II



Nach einer Woche auf den Film warten ist es nun so weit, mein erster Eindruck der Leica M6, auf Papier! Vorweg gesagt, dies ist der Film zum Kennenlernen und warm werden mit der Kamera, daher habe ich in diesem Fall auf eine Entwicklung beim Fotolabor des Vertrauens verzichtet und die ökonomische Variante gewählt. Wie heftig sich diese von der professionellen Qualität der Labore unterscheidet, wird auch hier wieder deutlich. Nichtsdesto trotz bin ich doch positiv überrascht. Die Kombination Planar 50mm und Leica zeichnet kontrastreiche und scharfe Bilder, auch wenn der billige Kodak ColorPlus etwas Schwierigkeiten hat die schärfe wiederzugeben. Als nächstes ist der sehr feine Kodak Ektar 100 an der Reihe.






Die grundlegende Frage stellt sich zwangsläufig: Muss man noch alle Tassen im Schrank haben, den stolzen Preis von 1000+X Euros (nur Gehäuse!) abzudrücken, wenn man für 1/20 des Preises bereits eine 90iger Jahre Minolta Dynax aus der Bucht fischen kann, die sowohl AF, als auch Belichtungsmesser, Blendenpriorität als auch eine deutlich nutzerfreundlichere Fokussierung - sprich allen Komfort der Welt - mitbringt? Oder gar eine gebrauchte A7 mit einem neuen Zeiss 55mm 1.8 am Gehäuse in den Händen halten kann?

Die Antwort lautet ja. Warum ich so denke?

1. Eine Leica ist und bleibt eine verdammte Leica.

Und das ist keine Leica-Anhänger Esoterik, sondern eine knallharte Feststellung. Keine Kamera fühlt sich an wie eine Leica, liegt in der Hand wie eine Leica, ist so wertig verarbeitet wie eine Leica. Das Spannen, das Klicken, all das sind schlicht Spaßfaktoren, die das Fotografieren zu einem Gesamterlebnis machen. Man kauft sich keine Leica weil man Purist ist, daür gibt es viele andere Kameras für den Preis einer Bierkiste im Internet - man kauft eine Leica weil sowohl das Auge als auch der Tastsinn aufs tiefste befriedigt werden.

Natürlich ist dies eine sehr subjektive Wiedergabe der "Faszination Leica", und für einen Fotografen gelten andere Prioritäten als für Hobby-Leica Enthusiasten und Retro-Fans. Während der handwerklich Zweig der Fotografie heutzutage von den, fürs Hobby nahezu unbezahlbaren digitalen Leicas abgedeckt wird, stellt sich mir doch die Frage des Kosten/Nutzen-Verhältnisses nach fotografischen Aspekten. Es gibt, gerade im analogen Bereich nach wie vor professionelle Kameras wie die Minolta Dynax 9 oder die Contax RTS III, die durch Technologie hochauflösende Bilder garantieren.
Natürlich muss man aber bedenken, dass diese Alternativen eine völlig andere Gattung Kamera sind. Eine Messsucher Leica ist keine Spiegelreflex und eine Spiegelreflex ist keine Messsucherkamera. Jeder Fotograf weiß, wie unterschiedlich Menschen auf das Auftreten und die verwendete Kamera des Fotografen reagieren. Viele Bilder aus der Reportage wären ohne die unauffällige M6 nie entstanden, weshalb diese Kamera lange Zeit das non plus ultra in der Street- und Reportage-Fotografie gewesen ist. Die Leica war einfach die qualitativ hochwertigste Kamera, die über so unauffällige Dimensionen verfügte, lange vor Smartphone und digitale Systemkamera.

Heißt das, die analogen Leicas haben aus heutiger fotografischer Sicht ihre Existenzberechtigung verloren? JEIN. Es kommt wie immer auf den Blickwinkel an. Während immer mehr professionelle Fotografen tatsächlich zum Iphone greifen, um so unauffällig wie möglich das Treiben und Geschehen von sozialen Räumen zu dokumentieren, gibt es immernoch Nischen, in der die Film-Leica unschlagbar ist. Der Nachteil der Smartphones ist die hohe Tiefenunschärfe, die Streetportraits a la Steve Mccurry nahezu unmöglich machen. Dazu kommt der Look, der doch recht schnell zuordenbar ist.
Und gerade in der Reportage ist (schwarz-weiß) Film nicht tot zu bekommen. Sicher, es gibt VSCO und andere Presets, aber es geht doch nichts über Silberteilchen die das Bild leuchten lassen! Und genau da wären wir wieder bei der Leica, kleiner und unauffälliger als eine SLR, und doch eine Filmkammera.

2. Summicrons und Co

Jede Leica wurde und wird für Leica-Optiken konzipiert und abgestimmt. Es gibt keinen anderen Weg, hochwertige Leica Objektive zumindest auf Film sinnvoll zu nutzen. Eine Leica und ihr Summicron, eine Ehe die funktioniert! Natürlich, die Spiegellosen sind im Anmarsch und lassen das Herz eines jeden Leica-Sammlers höher schlagen - lassen sich so viele Objektive auch an 36mpx adaptieren. Doch die Erfahrung vieler Nutzer zeigt, dass eine A7 eben doch kein Ersatz für eine Leica ist wenn es darum geht, hochwertige Leica M Objektive zu nutzen - der Look kommt einfach nicht rüber. Sei es aufgrund des Sensors in den Digitalen oder einfach weil eine Leica immer als Einheit zwischen Objektiv und Gehäuse zu betrachten ist. Es gibt zahlreiche Fremdobjektive für das M-Bajonett, doch eine Leica ohne klassisches Summicron ist irgendwo doch keine Leica. Auch das unterscheidet sie von allen anderen Kameras und Systemen.





Update: Teil III



Leica M


oder:

Die Akademisierung der

Fotografie

 

Endlich zu Teil 3 meiner Leica M6 Impressionen: Im Folgenden versuche ich so neutral wie möglich darzustellen, da gerade die Leica zu einer Emotionalität neigt, wie sie keine andere Kamera hergibt. Diese Emotionalität gehört zu Leica, und jeder der behauptet, eine Leica nur aufgrund praktischer Vortele zu besitzen, betrügt vor allem sich selbst. Harte Worte für ein Stück Metall, das in den letzten Wochen und Monaten beinahe mehr Aufmerksamkeit und Zärtlichkeit bekommen hat als meine Familie.

Leica M6 mit 50mm 1.5 Sonnar, Bj. 1940!

 



Leica M6 mit Summicron 35mm (v3.)


Denn: Eine Leica korrekt zu beschreiben ist ein Ding der Unmöglichkeit. Zahlen, Werte und Funktionen zählen hier nicht. Die Leica lebt vom Feeling; vom Gefühl, etwas in der Hand zu halten, das die Fotografie entscheident geprägt hat. Leica ist sich, zumindest im Bereich der Rangefinder, treu geblieben. Waren zu Beginn der Erfolgsgeschichte der Leica kein technischer Unterschied zur Konkurenz gegeben, klafft heute ein meilenweiter Graben zwischen Automatik und Blendenring, zwischen scheppernden Autofokus und extrem feiner Mechanik. War die Photographie zu Zeiten Oskar Barnacks eine anspruchsvolle Tätigkeit, reicht es heute lediglich einen Knopf zu drücken um ein perfekt belichtetes Bild zu erhalten - zumindest bei allem was nicht Leica Rangefinder ist. Die Reduzierung auf das wesentliche wird in diesem Zusammenhang häufig als Vorteil verkauft - was klar als Verkaufsstrategie einzuordnen ist, wenn man bedenkt dass nahezu jede Kamera einen manuellen Modus besitzt. Dennoch scheint die Masche bei Leitz heute mehr denn je zu ziehen. Besonders deutlich wird das bei der Leica M-D, eine digitale Leica ohne Display, Automatiken und andere Errungenschaften der digitalen Photographie - mit einem stolzen Preis von über 5000,- (und somit preislich über der neuen M mit Display...!)

Back to the roots also.
Wie dem auch sei, eine Leica M zu fotografieren muss gelernt sein. Im folgenden einige Dinge, die ich durch die Leica M6 gelernt habe:


Lernen, ohne Sucher zu fotografieren


Aufgrund der fehlenden Automatiken muss man sich zwangsläufig mit der Kamera und vielmehr noch mit der Fotografie im Allgemeinen auseinander setzen. Plötzlich spielen Belichtungszeit, Schatten und Lichter, Iso sowie Blende wieder eine große Rolle. Während der Iso-Regler bei den meisten modernen Kameras die Automatik selten verlässt, bestraft mich die M6 nach dem Wechsel des Filmes im schlimmsten Fall mit super überbelichteten Bilder - sofern ich mal wieder vergaß den Iso-Regler umzustellen.
Das alles zu verstehen braucht Zeit, sowohl beim Lernen als auch beim Photographieren. Auf der Straße hat man diese Zeit nicht, und so muss man sich mit Techniken vertraut machen, die sowohl schnelles als auch unauffälliges Fotografieren erlauben: Das Schießen ohne Sucher ist eine dieser Techniken.
Das funktioniert nur, wenn man die Zusammenhänge zwischen Blende, Brennweite und Schärfeebene verstanden hat, und die Distanz einigermaßen gut einschätzen kann. Dabei wird die Blende des Weitwinkels auf einen hohen Wert gedreht (F5.6 oder 8) und bereits vor-fokussiert. Ein letzter Blick durch den Belichtungsmesser zeigt die notwendige Belichtungszeit (wenn vorhanden), und schon lässt sich aus der Hüfte fotografieren. Dabei ist man nicht nur super unauffällig, der öde standartige Bildausschnitt wird auch vermieden, da in der Regel von weiter unten (der sogenannten Froschperspektive) photographiert wird.


Message sticht Ästhetik

Die Leica ist keine Kamera für super freaky Bokeh-Kunstwerke. Das war sie noch nie und wird sie auch nie werden. Denn: Das non plus ultra der Leica ist nach wie vor das perfekt korregierte aber nicht arg lichtstarke Summicron, und von daher reicht die Blende 2 für oben genannte Spielereien nicht aus. Das ist auch gut so, denn während vieler Photographien Daseinsberechtigungen im bestenfall noch ein tolles Kringelbokeh ist, muss das Bild aus der Leica ohne "visuelle Besonderheiten" auskommen. Das hat den Vorteil, dass viele Leica Photographen ausdrucks- und inhaltsvollere Bilder fabrizieren. Und so hat sich auch meine Photographie ein Stück weit verbessert. Tolles Bokeh durch f1.2 etc hilft mir nicht mehr, und so muss das Foto ausreichend Tiefgang haben (auch wenn es im Leica Line-up durchaus Optiken mit f1 und darunter gibt, es ist natürlich auch eine Preisfrage - wie so oft bei Leica).


Das Entwickeln


Der Leica M6 verdanke ich noch ein weiteres Hobby, das ich neben meiner Arbeit als "digitaler" Photograph ausüben darf: Das Entwickeln. Oft in Angriff genommen aber nie durchgezogen, bekam ich durch die Leica genug Motivation, mir einen Vergrößerer zu organisieren und das 5qm große Badezimmer in ein Labor zu verwandeln. Eine eigene, neue Welt eröffnete sich, obgleich ich dachte, ich hätte bereits viel in der Photographie gesehen. Aber neben dem großen Erkenntnisgewinn bezüglich der Photographie, ist das eigentliche, das dieser Prozess mit sich bringt, die Fähigkeit etwas zu (er)schaffen. Obwohl die Entwicklung ein relativ simpler Prozess ist, braucht man doch gewisse intellektuelle Fähigkeiten oder zumindest den Willen, sich mit Chemie und Optik auseinander zu setzen. Und das macht nicht nur unglaublich Spaß, sondern lässt sich auch auf viele andere Lebensbereiche übertragen. Oder kurz gesagt: Es geht um das sich Arrangieren, das Gewöhnen und das Lernen.


Ich merke, die von mir geforderte Emotionalität kann ich bei Betrachtung der Leica nicht einhalten, und daher folgt nun wohl die subjektivste Aussage einer Kamera-Beschreibung ever:

Die Leica M6 fordert intellektuell und technisch, aber wer die Herausforderung meistert, wird nicht nur ein besserer Photograph sondern vielleicht sogar ein besserer Mensch. Amen

 



Schöner Kontrast, tolle Auflösung. Auch wenn ich erst einmal schlucken musste. Wer die Auflösung einer A7r gewohnt ist, muss runter vom hohen Pixel-Ross, und zurück zur Essenz der Fotografie - dem Motiv und der Bildgestaltung.
























































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