Leica Q - die Kompakte
Eine Kompakt-Leica mit festem 28mm und Autofokus. Was Sony mit der RX1 vorgegeben hat, kann Leica schon lange- dachten sich die Ingenieure aus Wetzlar und zack boom, man nehme etwas D-Lux, etwas Leica M, ganz viel Panasonic und schließlich eine Menge von Leica Zauberstaub - fertig ist die Chimäre Leica Q. Was sie alles kann, und vor allem: was sie alles nicht kann, möchte ich in diesem Eintrag erläutern.
Die Leica Q
Entsprechend meines Wunsches nach einem Weitwinkel für das M System (und damit meine ich für meine SL...), suchte ich nach einem Lichtstarken Objektiv unterhalb der 35 Millimeter. Lichtstark heißt in diesem Fall alles ab Eigenmarke Summicron, und wer die Preise für Leica M Objektive kennt, weiß, dass Weitwinkel alles andere als billig ist. Da ich nach wie vor das zwar exzellente 24-90mm aufgrund des Gewichts meide und meine Leica M9 als Zweitkamera aufgrund der Leica-Krätze über den Jordan ging, fiel mir die Leica Q in den Sinn.
Auf den ersten Blick für die Hochzeitsfotografie eine gar unsinnige Geschichte, gefangen bei 28mm und sündhaft teuer. Auf den zweiten Blick jedoch ergibt die Leica Q in Verbindung mit der SL samt Festbrennweite über 50mm sehr viel Sinn, wenn es um professionelle Dokumentationen geht. Darüber hinaus ist sie natürlich die perfekte Reisekamera, aber diesen Aspekt möchte ich hintenanstellen.
Während das 24-90 mit f2.8 bei 24 immer noch „ausreichend“ lichtstark ist, kommt man bei relativ dunklen Standesämtern (die es leider nach wie vor gibt), schnell an die Grenze der Bewegungsunschärfe. Die zusätzlichen fünf Blendenstufen (!) in Kombination mit dem gleichen Sensor, der auch in der SL verbaut ist, lassen hier kaum wünsche offen. Einzig die M10 mit einem 28iger Summilux-M könnte hier noch mehr punkten, natürlich zu einem Preis der weit jenseits der Leica Q liegt. Denn wir haben es hier ja nicht nur mit dem 28mm Summilux 1.7 zu tun, sondern mit einer ausgezeichneten Vollformatkamera quasi inklusive, und das lässt den preislichen Unterschied zur M10 mit der Summilux-M Variante noch monströser erscheinen. Zur Erinnerung: das Summilux-M 28mm ist mit 5900 Euro etwas teurer als zwei gebrauchte Leica Q's (stand Juli .19)
Verarbeitung:
Eines vorweg: Wer die Leica SL gewöhnt ist, wird sich bei der Q erst einmal über das geringe Gewicht wundern. Hier merkt man eindeutig, dass die Q auf Gewicht und Mobilität ausgelegt ist, während die SL eine professionelle Studiokamera durch und durch ist. Die Knöpfe, der Grip, das alles fühlt sich bei der SL wesentlich besser an und selbst die Leica M’s fühlen sich im Vergleich zur Q wertiger an.
Die Buttons und das Steuerkreuz fühlen sich stark nach Plastik an, was in Puncto Gewicht natürlich auch kein Wunder ist. Die Kopfplatte wurde aus Aluminium gefräst, während der Body aus einer Plastik-Magnesium-Legierung besteht, und stark an die Spiegellosen Kameras aus dem Hause Sony erinnert.
Verwunderlich ist dabei, dass Leica sich dennoch entschieden hat, die Streulichtblende aus Metall zu fertigen, was zumindest am Objektiv für eine Wertigkeitssteigerung sorgt.
Die aus der M entnommene Belichtungsschaltung klickt sehr befriedigend ein und der Off-S-C Schalter mit Auslöser geht leicht und schnell von der Hand. Leider hat dieser auch etwas Spiel, was ich von Leica so nicht gewohnt bin. Auch in der arretierten AF Funktion lässt sich der Blendenring etwa 0,5mm bewegen, was zwar nicht schlimm, - aber auch nicht schön ist.
Mechanisch sehr erfreulich geht allerdings der Übergang vom Normalen zum Makro-Modus, Wodurch die gesamte Linseneinheit nach vorne geschoben wird und eine neue Skala - auf wundersame Weise - erscheint.
Der Grip ist, ähnlich wie bei der SL, hochwertig und die Kamera liegt sehr gut und ausgewogen in der Hand. Blendenring und Fokusring sind sehr hochwertig, allerdings nicht ganz auf Leica M Niveau. Natürlich wirkt bei dieser Bewertung auch immer ein, dass sowohl Blende als auch Fokus elektronisch gekoppelt sind, also auf einem Schneckengang verzichtet wird, wodurch die Illusion einer M Linse erzeugt wird, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Kurz um - die Verarbeitung ist ausgezeichnet, um Gewicht zu sparen allerdings deutlich hinter der SL und etwas hinter den Messsuchern. Um das aber noch einmal zu betonen: Hier wurden keine Kosten gespart, sondern Gramm.
Die Kamera ist so leicht, dass ich beim gehen oftmals Probleme habe, sie auf meiner Brust zu halten ohne dass sie aufgrund der geringen Masse anfängt zu pendeln, vielleicht gehe ich aber auch schlicht falsch.
Die Gravuren sind nicht so tief gelasert, wie bei den M Objektiven. Aus diesem Grund fühlt es sich auch nicht wirklich wie eines an.
Die Buttons und Knöpfe sind leider nicht ganz auf SL Niveau, allerdings vom Feeling nahezu Identisch mit der M9.
Nächster Punkt: Bildqualität und Abbildungsleistung
Eines vorweg: Da der Sensor aus dem Hause Panasonic (welcher im Übrigen ausgezeichnet ist), identisch mit dem SL sein soll, erübrigt sich eine große Analyse der Abbildungsqualität auf Seiten des Sensors.
Was sehr wohl nichts heißen muss, schließlich spielt die entscheidende Rolle das Summilux, das einen hervorragenden Job leistet, wenngleich man auch hier differenzieren muss.
Kurz gesagt: Das Summilux ist scharf, wie man es von einem Leica Objektiv erwartet. Es ist sogar so scharf, dass es im photographischen Alltag sogar Probleme bereiten kann. Man merkt hier eindeutig, dass das Objektiv auf diese Schärfe gerechnet wurde, so dass die Übergänge zur unschärfe häufig sehr unschön wirken. So wie die Walter Mandler Objektive wunderbar in den Unschärfen zeichnen und so den Zauber dieser Objektive ausmachen, genauso so verhält sich dieses Summilux nicht.
Es ist kein Geheimnis, dass Leica diesen Weg eingeschlagen ist, allerdings gibt es so etwas wie "Altglas" bei Leica nicht und eine M10 mit einem Summicron aus dem Jahre 1960 ist kein Firlefanz zum Blümchen fotografieren. Bei der Q allerdings hat der Konsument nicht die Qual der Wahl zwischen weich und nicht ganz so scharf und extrem scharf, so dass der Fotograf erneut in die Trickkiste der Nachbearbeitung greifen muss, um unschöne Schärfeübergänge zu glätten. Besonders bei 1.7 fällt dieses "Problem" ins Gewicht, da sich die Schärfeebene nicht so deutlich vom Hintergrund oder den Übergängen abtrennt und das Bild sehr schnell unscharf wirkt, obgleich ein Gesicht einer Gruppe etc. scharf ist.
Das ist natürlich jammern auf höchstem Niveau und schwierig zu erklären, wer allerdings eine Vorstellung hat, wie das pre asphärische Summilux-M 35 abbildet, weiß, wie das Summilux der Leica Q nicht ist. Punkt
Nichts desto trotz ist die Tiefenunschärfe relativ geschmeidig und passt gut in das Konzept der modernen Abbildungsleistung. Dies gesagt, wird auch klar dass die Zeiten von unbearbeiteten Bildern wie sie aus der M9 kamen, vorbei sind. Ähnlich wie bei der SL erfordern die DNG's nämlich eindeutig etwas Aufwand. Dies funktioniert allerdings erwartungsgemäß sehr gut, denn auch schon die Leica SL erweist sich als hervorragend bearbeitbar.
Das Fotografieren mit der Q:
Lohnt sich nun die Anschaffung einer solch teuren Kamera, die weder Messsucher hat noch Wechselobjektive erlaubt?
Kurz gesagt kommt es darauf an, was man bereits hat und was man haben möchte.
Denn die Q ist keine Leica M, weder von der Verarbeitung, noch vom Feeling, noch vom Preis, noch von der Arbeitsweise und dem Umgang mit dieser Kamera. Wer eine "günstige" Alternative zur M samt 28mm Summilux sucht, sollte sich im klaren sein, dass die Q im Herzen eine Kompaktkamera ist und immer eine sein wird. Das dies kein Nachteil sein muss, wird beim professionellen Workflow schnell deutlich. Der Autofokus, der im Übrigen sehr schnell und Präzise arbeitet - und leise noch dazu, ist für mich eine Offenbarung.
Als Zweitkamera mit Weitwinkel und noch dazu dem selben Sensor wie die SL ist diese Kamera schon fast ein Pflichtkauf. Da sie so leicht ist, fällt sich zusätzlich an der Schulter fast kaum auf, und die Kombination Leica SL + 85mm 1.4 Zeiss und Leica Q zusammen ist leichter als die SL mit dem 24-90 Vario-Elmarit.
Das Fotografieren fällt wirklich leicht von der Hand, der Umgang mit den 28mm muss allerdings gelernt sein. Einfach in die Menge knipsen ist selten eine gute Idee, sondern Komponieren ist angesagt. Aufpassen muss man dabei auch unbedingt auf die Verzeichnungen, die am Rand hin für unschöne Kopfformen sorgen können...
Wer allerdings auf Weitwinkel-Portraits spezialisiert ist, kann in Kombination mit der Tiefenunschärfe wunderschöne Portraits zaubern, die wunderbar die ollen 85mm ergänzen können.
Die offizielle Zielgruppe dürften allerdings Weltenbummler und Streetfotografen sein, denn dafür sind die Parameter - klein und leise, AF, weitwinklig, Leica - optimal. Ich werde sie aufjedenfall überall mit hin nehmen, wo mir die SL mit dem 35iger Lux zu schwer ist.
Weitere Fakts: Akku ist solala, EVF ist nicht wirklich auf höhe der SL, Staub im EVF und Sensor sind in dieser Preisklasse ein Witz. Ja, das sind leider die negativen Aspekte dieser Kamera, die mitlerweile durch die neue Q2 behoben worden sind. Wer damit leben kann, hat eine erstklassike Leica, die doch so anders ist als ihre M Vertreter.