Leica, wir müssen reden




Leica, wir müssen reden



Hallo Leica.

Wir müssen reden.


Dich einmal haben. Den heiligen Gral der Fotografie. Das non plus ultra. Eine Investition fürs Leben.

So, oder so ähnlich könnte man für dich, als Kind eines Traditionsunternehmen werben. So, oder so ähnlich rechtfertigten sich zahlreiche Enthusiasten vor dem oder der Geliebten, deren Schreck über die Ausgaben tagelang wie ins Gesicht gemeißelt steht. Und das, über Generationen. Seitdem du die Fotografie mit der ersten Leica revolutioniert hast.

So rechtfertigte ich auch den Kauf meiner ersten Leica, liebes Unternehmen, verdient durch zahlreiche Ferienjobs. Es war eine Leica M6, das Geld reichte nicht mehr für Objektiv, so musste eine fremde Linse her.

Und ich war begeistert. Von der Technik, vom Feeling, vom Look. Freilich war es hauptsächlich eine emotionale Sache, aber dich um die Brust zu wissen, hat mich etwas stolzer gemacht. Meine Fotos wurden allerdings nicht besser.

Und so sparte ich weiter. Und weiter. Und weiter

Und konnte schließlich dich zum ersten Mal in digitaler Form kaufen. Eine Evolution, eine Revolution. Ein Desaster - schließlich.

Richtig kennengelernt, liebe Leica, habe ich dich vor circa 2 Jahren. Ich wusste, dass viele von dir krank werden, aber meine M9, so dachte ich, wurde in diesem Jahr erst untersucht. Und zwar in Wetzlar, für knapp 600 Euro. Eine saubere Sache, dachte ich. Und tatsächlich hatte ich die nächsten zwei Jahre mit dir keine Probleme. Du warst gesund und munter, eine schöne Zeit. Dass du eine schlimme, unheilbare Krankheit in dir hattest, wusste ich damals nicht. Doch ihr wusstet es. Dass du knapp 2 Jahre später von mir gehen würdest, ahnte ich nicht. Doch ihr wusstet es. Nun ist es geschehen, ein wirtschaftlicher (und seelischer) Totalschaden und ein verlorener Freund.

Liebe Leica. Du bist einen weiten Weg gegangen. Dass deine Großeltern immer noch leben, sprach eigentlich für dich. Dass du Veränderungen durchmachst, ja modern wirst, sprach eigentlich für dich. Dass du kein Teil dieser Wegwerfgesellschaft wie deine entfernten Cousins wurdest, sprach für dich. Und dennoch ist es passiert, und alle wussten, ja ihr wusstest, dass es passiert. Hat man deinen exorbitanten Preis nicht mit deiner Langlebigkeit, mit deinem Wert im hohen Alter gerechtfertigt? Was sonst, machte dich von allen anderen so anders? Deine Kraft? Wohl kaum. Dein Äußeres? Ein alter Hut. Dein Image? Ja, das deiner Vorgänger.


Hätte man es feststellen können? Vermutlich, aber was wäre dir daran gelegen? Habe ich das vertrauen in dich verloren?
Es war mein Pech, dass du nicht früher von uns gegangen bist, so hätte ich dich noch retten können. Aber nun, liebe M9, ist es zeit für dich. Aber dein Abgang soll eine Warnung sein, an alle, die nach wie vor deinem Scharm erliegen. Denn sie kaufen ein totes Produkt, teuren Metallschrott. Ein paar Jahre, was ist das schon. Und schon schweift mein Blick zu deinen Großeltern. Sogar dein Urgroßvater, Leica IIIf steht mit einer stoischen Ruhe neben mir und gibt mir zu denken. Zu denken, ob du noch Leica bist, ob du jemals Leica warst, wie deine großen Vorgänger. Deine Versprechen konntest du zumindest nicht halten.

Machs gut.







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